Klimamilliarde
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Zwei Klima-Milliarden: die Nullnummer und die Mogelpackung

Gleich zweimal wurde dieser Tage ein Milliardenpaket für den Klimaschutz vorgeschlagen. Im Nationalrat wurde eine Milliarde für Maßnahmen in Österreich breit abgelehnt. In Wien hingegen lässt sich die Stadt nicht lumpen – das Klimabudget soll 2020 eine Milliarde Euro betragen. Wir haben nachrecherchiert, was darin enthalten ist.

Die Inhalte der beiden Pakete sind durchaus ähnlich: thermische Sanierung , Verbesserung des Öffentlichen Verkehrs und Ausbau der Photovoltaikanlagen beispielsweise. Glattes Heimspiel für den Klimaschutz möchte man meinen, aber es wurde eine schwierige Partie – vor allem für die Grünen, die auf Bundesebene die rote Karte zeigten und in Wien grünes Licht gaben.

Falscher Zeitpunkt für Österreich-Klimamilliarde

In der letzten Plenarsitzung des Nationalrats am 13.11.2019 brachte die SPÖ einen Antrag für eine Klimaschutzmilliarde ein – und blieb darauf alleine sitzen. Nicht einmal die Grünen konnten ins Boot geholt werden.

Grünen-Chef Werner Kogler erteilte schon zwei Tage vor der Abstimmung im Parlament in der „ZIB 2“ dem Vorstoß der SPÖ eine Abfuhr: „Bei denen hat man oft das Gefühl, das Geld wächst auf den Bäumen. Das tut es nicht.“ Bei der Debatte selbst dauerte es dann eine gute Stunde, bis eine grüne Mandatarin auf den von Julia Herr (SPÖ) einbrachten Antrag einging. Astrid Rössler, langjährige Stellvertreterin des Salzburger Landeshauptmanns, meinte dazu:

Astrid-Roessler

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, ich verstehe die Ungeduld. Ich verstehe natürlich auch das Gefühl, wenn man solche Anträge einbringt und sagt: Grüne, jetzt zeigt doch einmal, wie und ob ihr dazu steht! – Ja, wir stehen zu den Inhalten – zum richtigen Zeitpunkt.”

Abg.z.NR Dr. Astrid Rössler
© Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS
in der Debatte im NR am 13.11.2019
Link: Rede

Allgemein zeigten sich die Grünen mit dem Status-quo zur Erreichung der Klimaziele nicht zufrieden und orteten deutlichen Nachbesserungsbedarf.

Die ÖVP argumentiert mit dem Hausverstand. Klimaschutz müsse keine Belastung sein, sondern könne, “wenn man es mit Hausverstand macht”, sehr wohl ein Booster für neue Investitionen und einen starken Wirtschaftsstandort werden, zeigte sich ÖVP-Umweltsprecherin Elisabeth Köstinger überzeugt. “Wir müssen Klimaschutz mit den Menschen machen und nicht gegen sie”, betonte sie. 

Ähnlich argumentiert die FPÖ: Walter Rauch sprach sich namens der Freiheitlichen für Klimaschutz mit Hausverstand aus und erteilte neuen Steuern und Abgaben eine klare Absage. Vielmehr habe es darum zu gehen, die vorhandenen Steuern effizient für Klimaschutzmaßnahmen einzusetzen. Nicht Gebote und Verbote, sondern ein gesamtheitliches Konzept sei gefragt, das die Menschen mitnimmt und nicht noch weiter belastet.

Für Rahmenbedingungen der Klimatransparenz sowie ein jährlich zu beschließendes CO2-Budget setzten sich die NEOS ein. Dieses sollte laut Michael Bernhard nicht nur für den Bund, sondern ebenso für die Länder und Gemeinden gelten. Er forderte von ÖVP, FPÖ und SPÖ, die Versäumnisse der letzten Jahre zu verantworten und die Naturwissenschaft besser zu berücksichtigen.

Stellungnahmen: Aus der Parlamentskorrespondenz Nr. 1067 vom 13.11.2019

Klimamilliarde für Wien schon 2020

Die Grünen und die SPÖ Wien haben im Gemeinderat am 26.11.2019 ein umfassendes Klimapaket beschlossen, das die Einrichtung eines Klimarates, ein Klimabudget sowie den Beschluss zur Smart-City-Strategie umfasst. Umweltstadträtin Ulli Sima titelt “Beste kommunale Daseinsvorsorge, € 695 Mio. für moderne Öffis und € 64 Mio. für noch mehr Grünraum im Kampf gegen den Klimawandel” und “Wien als Vorreiter: 1 Milliarde Klimabudget!“. Dazu erklärt sie:

„Die Folgen des globalen Klimawandels sind längst auch bei uns spürbar. Es gilt daher heute, mehr denn je, gegen die Klimakrise anzukämpfen und die hohe Lebensqualität und starke kommunale Daseinsvorsorge in unserer Stadt auch für künftige Generationen zu sichern“

Ulli Sima, Stadträtin für Umwelt & Wiener Stadtwerke (APA-OTS 26.11.2019)

Die Zahlen stechen ins Auge: € 695 Mio. und € 64 Mio. ergeben € 759 Mio – das wäre schon eine sehr großzügige Aufrundung. Auf Nachfrage im Büro der Umweltstadträtin verwies man an den Finanzstadtrat Hanke. Dazu weiter unten.

Bereits im Juni verkündete die Vizebürgermeisterin und Klimaschutzstadträtin Birgit Hebein ihre Prioritäten: „Der Klimaschutz steht gemeinsam mit dem sozialen Zusammenhalt an erster Stelle meiner politischen Arbeit“ und demonstrierte Einigkeit mit dem Koalitionspartner:

“Der Bürgermeister und ich sind uns einig: Jetzt ist zu tun, was zu tun ist.“

Birgit Hebein, Wr. Vizebürgermeisterin und Klimaschutzstadträtin (APA-OTS 27.06.2019)

Hoch erfreut zeigte sich Hebein dann bei der letzten Gemeinderatssitzung und twitterte am 26.11.: “Mit einer Klimamilliarde werden wir 2020 auch kräftig in den Klimaschutz investieren.” Gleich am nächsten Tag stellte Sie ein Info-Video online, das der Bevölkerung die Maßnahmen der Stadt Wien im Kampf gegen die Klimakrise näherbringen soll.

Wien hat diese Woche erstmals ein eigenes Klimabudget beschlossen. Außerdem hat die Stadt jetzt einen eigenen Klimarat, der uns bei der Umsetzung der Klimaschutz-Maßnahmen berät. 🌎😊 #Wienliebe

Gepostet von Birgit Hebein am Mittwoch, 27. November 2019
Info-Video / Öffentliche Facebook-Seite VzBgm.in Birgit Hebein (auch auf Twitter)

Das Video ist gut verständlich, auch weil viele Maßnahmen in den letzten Wochen und Monaten medial intensiv vorgestellt wurden – Stichwort Gebäudebegrünung, Wasser in der Stadt, Coole Straßen, Öffi-Ausbau, Baumpflanzungen und vieles mehr.

Nicht nur die Maßnahmen selbst sind durchaus geläufig, sondern aufgrund der hohen Medienpräsenz des Themas auch die entsprechenden Kosten: € 8 Mio. für neue Bäume, € 2,3 Mio. für Kühlungsmaßnahmen in den Bezirken, € 500.000,- für Gebäudebegrünung. Diese Kosten liegen im Nachkommastellen-Bereich, wenn von
€ 1 Mrd. gesprochen wird. Da muss es also noch mehr geben.

Mogelpackung Wiener Klimamilliarde?

Auch von Finanzstadtrat Hanke gibt es eine Presseaussendung: “Keine neuen Schulden und Klima-Schwerpunkt im Budget 2020”, datiert vom 30.10.2019. Hier finden sich weitere Maßnahmen, die in der Erklärung von Ulli Sima fehlen:

  • 89,5 Mio. Euro für klimafreundliche Wohnhaussanierungen,
  • 64 Mio. Euro für die Erhaltung und Erweiterung der Grünflächen und Wälder,
  • 22 Mio. Euro für die klimafreundliche Umgestaltung des öffentlichen Raums.

Nun ist man praktisch bei der Milliarde angekommen, aber ein Wort macht mißtrauisch: “Erhaltung”. Das kam im Info-Video gar nicht rüber – da war stets die Erklärung von “neu”, “mehr” und “Ausbau”. Auch in der Presseaussendung von Ulli Sima war die Rede von “es wird massiv in die Öffis investiert”.

Der Anruf beim Pressesprecher von Peter Hanke gibt Aufschluß. Er erklärt, dass auch die Erhaltung bei einzelnen Budgetpositionen berücksichtigt wurden. Angesprochen auf den großen Brocken “Öffis” meint er, dass hier auch die Betriebskostenzuschüsse der Stadt an die Wiener Linien inkludiert sind.

Mit regelmäßig € 320-330 Mio. pro Jahr entfällt rund die Hälfte des “Öffi-Klimabudgets” auf den Zuschuß an die Wiener Linien für den laufenden Betrieb. Anders gesagt: allein ein Drittel der Milliarde. Der gleiche Betrag fließt in den Infrastrukturausbau und die Modernisierung des Wagenmaterials. Davon erfährt man allerdings nichts. Im Kopf der BürgerInnen bleiben die Bienen, Bäume, neuen Öffis und schön begrünten Häuser im Video sowie die Schlagzeilen hängen.

Welche Positionen genau in die Klimamilliarde geflossen sind, können im Entwurf des Voranschlags 2020 ab Seite 51 nachgelesen werden. Zusätzlich zu den bereits erwähnten, findet man beispielsweise eine neue Pumpe für die Feuerwache am Hof oder die Anschaffung von Elektro-Kehrmaschinen.

Nachsatz: man kann dem Ansatz für das neue Klimabudget durchaus etwas abgewinnen, obwohl Posten, die ohnehin vorgesehen sind korrekterweise nicht einfliessen sollten. Kritisch zu sehen ist die Kommunikation den BürgerInnen gegenüber. Während einige Bezirke viel zu wenig finanziellen Handlungsspielraum haben, wird hier eine heile Klima-Welt vorgespielt, die auch 2020 nicht existieren wird.

Richtig problematisch wird die Interpretation des Klimabudgets, sobald extrem teure Infrastrukturmaßnahmen wie etwa der Bau der U2/U5 im Budget aufgenommen werden. Steigen nämlich die Baukosten, erhöht sich auch die “Klimamilliarde” – ohne, dass die Umwelt irgendetwas davon hätte.

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