Schul-PCR-Test
Johanna Schlosser / picturedesk.com

Schul-PCR-Tests: unterschiedliche Schwellenwerte sorgen für Streit

Auch diese Woche entfallen rund drei Viertel der positiven Schul-PCR-Tests auf die Bundeshauptstadt. Ursache sind Unterschiede bei den Testverfahren und der Erfassung von positiven Fällen beim Bund und der Stadt Wien. Darunter leiden nicht nur die Vergleichbarkeit der Zahlen sondern auch SchülerInnen, die vielleicht unnötig in Quarantäne geschickt werden, wie ein Test-Anbieter meint. Der Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker sieht das diametral anders.

In den Bundesländern und in den Wiener Volksschulen werden die PCR-Tests in den Schulen mit dem System “Alles Spült” durchgeführt. Die Sekundarstufe in Wien (SchülerInnen ab der 5. Klasse) wird mit dem Verfahren “Alles Gurgelt” getestet.

Zwei Anbieter teilen sich den Bundes-Kuchen: Novogenia führt die PCR Testungen für den Schulbereich im Burgenland, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg durch, die COVID Fighters decken Niederösterreich, Oberösterreich sowie die Volks- und Sonderschulen in Wien ab.

Wien regt Validierung der Bundesländer-Tests an

Um die Aussagekraft der Tests ist in den vergangenen Tagen ein veritabler Streit entstanden. Hintergrund sind die höchst unterschiedlichen Positivitätsraten bei den Testungen. Während die Positivität in der Vorwoche innerhalb der Bundesländer im Bereich 0,01% (Vorarlberg) bis 0,11% (Volksschulen Wien) lag, lieferten die Tests mit “Alles Gurgelt” in Wien 0,45% (Quelle: Ampel-Kommission).

Darum hat man dieses Thema in der letzten Sitzung der Corona-Kommission angesprochen und eine Validierung der Alles-Spült-Tests angeregt – gemeinsam mit AGES und MedUni Wien.

Laut dem (vertraulichen) Ergebnisprotokoll der 52. Sitzung der Corona-Kommission, das Stadtpolitik Wien vorliegt, bestätigt ein Vertreter des Bildungsministeriums die unterschiedlichen Positivitätsraten. Mögliche Ursache könnte das Zugrundeliegen unterschiedlicher CT-Werte als Cut-off sein.

Wie genau sind die Schultests?

Die bei den Testprogrammen “Alles Gurgelt” und Alles Spült” angewendeten PCR-Tests weisen einen sog. CT-Wert aus (cycle-threshold-Wert). Bei einer ordentlich durchgeführten Probenentnahme gilt: Je höher der CT-Wert, desto niedriger ist die Virenkonzentration. Ein CT-Wert von >30 zählt zu den Entlassungskriterien aus der Isolation, bei Werten <30 gilt man als (stark) infektiös. Wie das Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats erklärt, entspricht der Verlauf der ct-Werte während einer Infektion einem “U”. Daher sei es relevant zu ermitteln, ob sich ein positiver Fall am Beginn oder Ende einer Infektion befinde. Dies wird durch einen zweiten Test nach 3 Tagen festgestellt. Steigt der Wert und liegt man über einem CT-Wert von 30 befindet man sich am Ende der Infektion und ist “frei”. Sinkt der Wert, bleibt man in Quarantäne, weil man am Anfang der Infektion steht und somit infektiöser wird.

COVID Fighters Laborantin bei der Analyse von PCR-Tests, COVID Fighters / Omar Saleh

Der sog. Cut-off Wert gibt an, ab welchem Wert eine Infektion nachgewiesen werden kann. Dieser kann sich von Labor zu Labor unterscheiden. Das hinter dem “Alles Gurgelt” stehende Unternehmen Lifebrain gibt wie folgt an: “Der sogenannte Cut-Off-Wert liegt beim Projekt Alles gurgelt! bei Ct 39. Der Nachweis von SARS-CoV-2 RNA ist positiv, wenn der Ct-Wert von den SARS-CoV-2 spezifischen Target-Abschnitten unter 39 liegt. Der Nachweis von SARS-CoV-2 RNA gilt als negativ, wenn kein Target detektiert werden kann oder wenn der Ct-Wert über 39 liegt.”

Für das Programm “Alles Spült” liegt die Mindestanforderung laut Bildungsministerium bei 35. Von Stadtpolitik Wien dazu befragt meint COVID Fighters (einer der beiden Anbieter von “Alles Spült”): “Die Vorgaben der BBG Ausschreibung lagen bei einem Grenzwert für als nachweisbar angegebene Proben von > 35 ct. Die Vorgaben haben wir stets übererfüllt, in der Poolaufflösung sogar um einiges übererfüllt.

COVID Fighters: kein Wettrennen um Positivität

Bei den COVID Fighters reagiert man auf unsere Anfrage zunächst etwas unerwartet:

Vielleicht können Sie diese Frage auch umgekehrt dem Mitanbieter stellen, warum bei ihnen so hohe Positivraten im Vergleich zu den beiden anderen Schultestauswertern (COVID Fighters und Novogenia) sind? Es kann kein Wettrennen sein, wer die höhere Positivrate hat.

Darunter leiden dann ja die Schülerinnen und Schüler, die vielleicht völlig unnötig in Quarantäne geschickt werden.

Boris Fahrnberger, Geschäftsführer COVID Fighters

Als Ursache, warum die COVID Fighters in Wien eine niedrigere Rate haben, nennt er zwei Gründe:

  1. Testen wir in Wien die Volksschulen, also die 6 bis 10 jährigen und die Sonderschulen. Diese SchülerInnen haben im Österreichschnitt eine viel geringere COVID-19 Rate als die Jugendlichen, die vom Mitbewerber getestet werden. Das können Sie auch auf der Datenbank der AGES nachvollziehen.
  2. Fließen beim Mitbewerber in Wien auch symptomatische Fälle der Hotline 1450 aus dem Schulbereich ein. Das ist klar, dass hier die Infektionsrate hoch liegt und damit die allgemeine Posititätsrate hinauftreibt.

Zum verwendeten Testverfahren und der Testqualität meint Fahrnberger:

Die diagnostische Performance (Sensitivität und Spezifität) liegt bei exakt 100%. Das heißt, unsere hochqualitativen PCR-Geräte können bereits allerkleinste Spuren einer Viruslast nachweisen.” und “Die Analyseart RT-qPCR ist vertraglich vom Ministerium festgelegt und wir halten uns selbstverständlich an die Auflagen.

Die Zuverlässigkeit seiner Tests sieht Fahrnberger jedenfalls gegeben: “Klar ist, dass wir schon bisher valide und sensitiv gearbeitet haben. Mir ist bei unseren Schultestungen – alle Schulen in Niederösterreich, alle Schulen in Oberösterreich und Volks-und Sonderschulen in Wien – kein einziger Fall bekannt, dass wir jemanden nicht richtig getestet hätten. Es ist kein einziger Cluster aufgetreten.

Ministerium: hohe Positivitätsrate in Wien aufgrund unterschiedlicher Erfassung im Testsystem

Das Bildungsministerium sieht nach Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium symptomatische SchülerInnen, die zuhause testen, als Ursache für die Unterschiede in den Positivitätsraten, wie eine Pressesprecherin Stadtpolitik Wien mitteilt. Anhand eines Beispiels erklärt sie, wie dies die Positivitätsrate in Wien in die Höhe treibt: “Schüler/in wacht auf, fühlt sich krank, testet zuhause mit einem Gurgeltest über die bekannte Plattform (Anm.: “Alles Gurgelt”). Da er hier als Schüler registriert ist, gilt der Test als „Schultest“.” Zusätzlich wird auf das Infektionsgeschehen in Wien verwiesen, das höher als in den meisten anderen Bundesländern (wo allein Alles spült zum Einsatz kommt) ist.

Dem CT-Cutoff wird weniger Einfluss beigemessen, “zumal es einen von der Ausschreibung vorgesehenen Mindestwert von 35 gibt, der von allen Labors erreicht oder überschritten werden muss.

Niedrige Virenlasten: Hinweis auf frische Infektion

Mikrobiologe Michael Wagner warnt regelmäßig davor, hohe Ct-Werte zu bagatellisieren. Er sieht bei regelmäßigen Schultests neu auftretende niedrige Virenlasten (hohe Ct-Werte) immer als sehr starker Hinweis auf eine frische Infektion.

Quelle: Twitter

Hacker steht zu strengen “Alles Gurgelt”-Tests

Gesundheitsstadtrat Hacker warnt vor unerkannten Fällen in Schulen. Gegenüber Heute meint er: “Die Pandemie ist noch nicht vorbei. Ich stehe dazu, dass wir mit ,Alles gurgelt’ viele Fälle an Schulen finden und darum auch viele Klassen gesperrt haben. Unangenehm könnte lediglich sein, dass wir österreichweit ein Testsystem an Schulen haben, das womöglich viel zu wenige Fälle findet und sich deshalb auch Kinder unerkannt im Schulbetrieb anstecken.




 

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