AstraZeneca: 90, 70 oder 60% Wirkung?
Offiziell wird die Wirksamkeit mit 70% angegeben, doch aufgrund eines Fehlers im Studiendesign besteht Unklarheit über den tatsächlichen Schutz des AstraZeneca-Impfstoffs. Es scheint, als ob ein Durchschnitt von Äpfel und Birnen angegeben wird.
Im Rahmen einer Notzulassung in Großbritannien wurde der Impfstoff, der gemeinsam von AstraZeneca und der Universtität Oxford entwickelt wurde, erstmals Ende Dezember 2020 zugelassen. Binnen kürzester Zeit folgten Zulassungen in den von Corona-Erkrankungen besonders betroffenen Ländern wie Brasilien, Mexiko und Indien.
Auch die EU hat größtes Interesse an einer raschen Zulassung, da erhebliche Mengen in den Impfplänen der Mitgliedsstaaten vorgesehen sind und der Impfstoff in der Handhabung praktischer und billiger als die Impfstoffe von Pfizer/BioNtech und Moderna ist. Die Zulassung wird nun für den 29. Jänner erwartet.
Immer wieder berichteten Medien von einer durchschnittlichen Wirkung von 70% (vgl. FAZ, Kurier, Die Presse,). Dieser Wert ist jedoch hinterfragenswert, da es während den Versuchen einen erheblicher Dosierungsfehler in einer der Teilnehmergruppen gab. Was war passiert? Ein kleiner Teil der Studienteilnehmer in Großbritannien erhielt bei der ersten Impfung nur die halbe Dosis und bei der Folgeimpfung die volle Standarddosis.
Die Studienergebnisse samt Fachkommentaren hat The Lancet im Artikel “Safety and efficacy of the ChAdOx1 nCoV-19 vaccine (AZD1222) against SARS-CoV-2: an interim analysis of four randomised controlled trials in Brazil, South Africa, and the UK” veröffentlicht.
Hier werden u.a. die Resultate der Studien in Großbritannien und Brasilien gegenübergestellt. Für Großbritannien werden zwei Gruppen ausgewiesen: einmal die Gruppe mit dem Dosierungsfehler (LD/SD) und die Gruppe, die zwei volle Dosen erhielt (SD/SD). In Brasilien wurde nur das Schema mit zwei vollen Dosen getestet.
In der Gruppe, die zunächst eine halbe Dosis (LD) und danach eine volle Dosis (SD) erhielt, lag die Wirksamkeit bei 90,5% (LD/SD). Paradox, aber durchaus möglich, wie es damals hieß.
Der größere Teil der Studienteilnehmer in Großbritannien erhielt zwei volle Dosen. Hier lag die Wirksamkeit bei 60,3%. Einen ähnlichen Wert ergab mit 64,2% die Studie in Brasilien. Auch hier wurden zwei volle Standarddosen (je 0,5ml) verimpft.
Die Dosierungsstrategie von zwei vollen Dosen ergab im Durchschnitt (Großbritannien und Brasilien) einen Wert von 62,1%, also deutlich geringer als die die bereits am Markt befindlichen Impfstoffe von Pfizer/BioNTech und Moderna, die jeweils einen Wirkungsgrad von >90% aufweisen.
Errechnet man nun einen Durchschnitt von beiden Impfstrategien, landet man bei 70,4%. Nur, kann man einen Durchschnitt zwischen Äpfeln und Birnen errechnen? Schlußendlich wird ja entweder mit 2 vollen Dosen ODER mit einer halben und einer vollen geimpft und nicht einmal so und ein anderes Mal so.
Wie wird nun geimpft?
Den Daten folgend sollte man meinen, dass nun die Dosierungsstrategie mit einer halben Dosis gefolgt von einer vollen Dosis angewendet wird. Wie Reuters berichtet, konnte die britische Zulassungsbehörde MHRA die Ergebnisse der Halbdosis-Strategie in der Analyse jedoch nicht bestätigen.
In den Informationen für medizinisches Fachpersonal schreibt die MHRA die Dosierungen mit zwei getrennten (vollen) Dosen von jeweils 0,5 ml vor. Die zweite Dosis sollte zwischen 4 und 12 Wochen nach der ersten Dosis verabreicht werden. Als Grundlage für die Bewertung nennt die MHRA: “Der COVID-19-Impfstoff AstraZeneca wurde auf der Grundlage einer Zwischenanalyse gepoolter Daten aus vier laufenden randomisierten, verblindeten, kontrollierten Studien bewertet.” Zur klinischen Wirksamkeit wird nun eben dieser Durchschnittswert von 70,4% angegeben.
Zu weiterer Verwirrung der Wirksamkeit des Impfstoffs führte die Aussage von Munir Pirmohamed, Vorsitzender einer britischen Expertengruppe zu Corona-Impfstoffen, bei einer Pressekonferenz der britischen Regulierungsbehörde für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte (MHRA) am. Wenn zwischen der ersten und der zweiten Dosis drei Monate vergingen, liege sie bei bis zu 80 Prozent. Das berichtete Reuters am 30.Dezember 2020.
USA wartet neue Studie vor Zulassung ab
Laut Business Insider wird AstraZeneca auf die Ergebnisse einer größeren US-amerikanischen Studie warten, in der keine halben Dosen geplant sind, bevor die Zulassung beantragt wird. Wie ein US-Impfstoffexperte sagte, waren die Daten aus der britischen Studie “seltsam” und hatten einen “ziemlich schwerwiegenden Fehler”.
AstraZeneca teilte mit, dass die Rekrutierung für seine US-Impfstoffstudie mit 30.000 Personen fast abgeschlossen sei. Die Studienteilnehmer erhalten im Abstand von 28 Tagen zwei Impfstoffdosen in voller Stärke. Es wird erwartet, dass die Daten zur Einreichung für eine Zulassung durch die FDA im April vorliegen könnten.
Betont wird jedoch, dass der Impfstoff auch bei einem Schutz von 62% ein wirksames Instrument zur Bekämpfung der Pandemie darstellt.