Luftfilter Schulen Wien
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Luftreiniger: SchülerInnen als Spielball skurriler Politik

Höchst befremdlich mutet die Diskussion über die Installation von Luftreinigungsanlagen an Schulen an. Föderalismus, Opportunismus und Ahnungslosigkeit prägen den politischen Streit um sichere Schulen.

Wurden bereits im Herbst 2020 erste politische Stimmen nach der Ausstattung von Klassenräumen mit Luftreinigungsgeräten laut, verstummen diese, nachdem eine Ausschreibung durch den Bund nun abgeschlossen und Budget für den Ankauf freigegeben ist.

40.000 Geräte bereits ausgeschrieben

Vor wenigen Tagen endete die Ausschreibung der Bundesbeschaffungsagentur für die Lieferung von Luftreinigungsgeräten. Die ausgeschriebenen Leistungen sind umfangreich: Aufstellung, Inbetriebnahme, Einschulung, Wartung und Beratung vor Ort mussten bepreist werden. Falls mehr als 5 Stk. der Geräte an einen Ort geliefert werden, muss zusätzlich eine Computersimulation der zu erwartenden Luftverteilungen und -bewegungen in den betroffenen Räumen erstellt werden. Der Rahmenvertrag ist auf immerhin 40.000 Geräte ausgelegt.

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Auszug aus der Ausschreibung von Luftfilteranlagen durch den Bund, abgerufen im August 2021

Die Ausschreibung erfolgte nach Fertigstellung des “Positionspapier zu lüftungsunterstützenden Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe – Einsatz von Luftreinigern und Einbringung von Wirkstoffen in die Innenraumluft” des Arbeitskreises Innenraumluft im BMK (Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) im Juni 2021.

Die Kernaussage des Arbeitskreises lautet: “Eine Belastung der Raumluft mit virenbeladenen Aerosolen lässt sich in Situationen, wo nur unzureichender Luftwechsel erzielt werden kann, durch den Einsatz von geeigneten Luftreinigungsgeräten auf relevante Weise reduzieren.”

Wie sooft, ist man in Österreich etwas spät dran. Obwohl die ersten Forderungen nach Luftreinigungsgeräten bereits im Herbst 2020 laut wurden, sind die Lieferungen der ausgeschriebenen Geräte lt. Bundesbeschaffung erst ab 4.10.2021 – also rund einem Monat nach Schulstart – abrufbar.

Deutsche Städte bereits ausgestattet

In Deutschland hat man in einigen Städten längst gehandelt: “Klassenräume in der Stadt Bremen sind vollständig mit mobilen Luftfiltern ausgestattet, andere Unterrichtsräume zu 80 Prozent mit den Anlagen eingerichtet. Die Luftfilter sollen unterstützend zum Lüften eingesetzt werden.”, schreibt die Süddeutsche Zeitung am 2. September 2021.

Einen Überblick über die Ausstattung der Schulen mit Luftfiltern in den deutschen Bundesländern gibt das Deutsche Schulportal: In Berlin etwa soll im Herbst die Hälfte der Klassenräume mit mobilen Luftreinigungsgeräten ausgestattet sein, Bayern will 60.000 Klassenzimmer und 50.000 Räume in Kindertagesstätten mit den mobilen Anlagen versorgen.

Nur 312 Luftfilter für 11.000 Wiener Klassen bestellt

Wie orf.at berichtet, bestätigt das Büro von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS), dass dem Bund der Bedarf von insgesamt 312 Luftfiltergeräten eingemeldet worden sei – 60 davon für Landesschulen, der Rest für Bundesschulen.

Die mobilen Luftfiltergeräte sollen “an jenen Schulen zum Einsatz kommen, wo etwa durch Baugerüste das Lüften vorübergehend erschwert möglich ist“, hieß es.

wiederkehr
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Angesichts der 11.000 Schulklassen in Wien, die nun ohne ergänzenden Schutz durch die Luftfilter ab 6. September wieder besucht werden, fühlen sich nun viele Eltern vor den Kopf gestossen. Warum man freiwillig auf die mögliche Reduktion des Infektionsrisikos verzichtet, versteht man nicht. Schließlich können SchülerInnen unter 12 Jahren noch nicht geimpft werden. Die Debatte darüber kocht aktuell in den sozialen Medien hoch.

Für weitere Aufregung sorgt Wiederkehr durch seine Aussagen auf Twitter, dass “Mobile Geräte ein Sicherheitsthema sind” und im Interview in der ZIB2 am 5. September 2021, in dem er meint, dass Luftfilter falsche Sicherheit suggerieren und Schulen jedenfalls – also unabhängig von der Inzidenz – offen bleiben sollen. Er beruft sich auf Experten, als er sagt, dass eine flächendeckende Ausstattung der Schulen nicht sinnvoll sei.

Interview ZIB mit Bildungsstadtrat Wiederkehr, 5. September 2021

Politische Zick-Zack-Kurse bei allen Parteien

NEOS
Die harte Linie der Wiener NEOS überrascht, da sich die Bundespartei bereits im November klar für den Einsatz von Luftfiltern ausgesprochen hat. Im Entschließungsantrag vom 26.11.2021 fordern die NEOS die Erarbeitung eines Gesamtentwicklungsplan für die Verbesserung der Luftqualität in Schulklassen und begründen diesen so: “Lüftungsanlagen haben gegenüber dem Lüften über das Fenster den Vorteil, dass sie zu jeder Jahreszeit für einen verlässlichen Luftaustausch sorgen, ohne den Unterricht zu stören oder Schüler_innen und Lehrkräfte einem Erkältungsrisiko auszusetzen.”

GRÜNE
Rätsel gibt auch der politische Kurs der Grünen in Wien auf. Nachdem man dem Antrag der FPÖ vom 10. Dezember 2020, in den Klassenräumen der Wiener Pflichtschulen Luftfilteranlagen zu installieren, nicht zustimmt, bringt man 2 Monate später nun selbst einen Antrag zum Einbau von Luftfilteranlagen ein. Anders als die Grünen zuvor, bleibt die FPÖ bei ihrer Meinung und stimmt dem Antrag zu. Geholfen hat es nichts: die Wiener SPÖ und die NEOS stimmen dagegen.

SPÖ
Nicht nur die Grünen sorgen für Verwunderung, auch die SPÖ hat keinen klaren Plan, ob sie nun den Einbau von Luftreinigungsgeräten befürwortet oder nicht. Während sich die Wiener SPÖ dagegen ausspricht, hält der oberösterreichische SPÖ-Landtagsklub die Filterung zusätzlich zur Belüftung für notwendig. Für zusätzliche Verwirrung sorgt SPÖ-Bildungssprecherin Petra Vorderwinkler, die Ende August 2021 Luftfilter in allen Klassen fordert.

FPÖ
Bei der FPÖ scheint die Meinung zu Luftfiltern davon abzuhängen, ob man in Regierungsverantwortung steht oder nicht. Während sich die Wiener und Burgenländische FPÖ klar dafür aussprechen, bremst der Juniorpartner der oberösterreichischen Koalition wegen Kosten, Lärm und Serviceaufwand, wie die Krone Zeitung schreibt.

ÖVP
Wie auch bei der FPÖ scheint der Standpunkt zum Einsatz von Luftreinigungsgeräten je nach Bundesland zu variieren. In Wien ist man klar für den Einsatz, in Oberösterreich dagegen.

Die Kinder sind die Leidtragenden

Es ist paradox: Geld und Geräte stehen bereit, die politischen Verantwortlichen wollen den Einbau von Luftfiltern jedoch nicht ordentlich umsetzen. U.a. die NEOS haben im letzten Herbst schon erkannt: “Lüftungsanlagen haben gegenüber dem Lüften über das Fenster den Vorteil, dass sie zu jeder Jahreszeit für einen verlässlichen Luftaustausch sorgen, ohne den Unterricht zu stören oder Schüler_innen und Lehrkräfte einem Erkältungsrisiko auszusetzen.” Zumindest in Wien will man nichts mehr davon wissen.




 

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