Wer als politisch interessierter Bürger wissen möchte, was in seinem Bezirk so geplant ist, kann an der öffentlichen Bezirksvertretungssitzung teilnehmen. Mindestens 4x im Jahr tagt das Bezirksparlament, manchmal auch zu Zeiten, die eine Teilnahme nicht möglich machen.
Wer Glück hat und in einem der 6 Bezirke wohnt, die die Sitzung per livestream anbieten, kann diese auch online mitverfolgen. Wer es zeitlich trotzdem nicht schafft oder den Inhalt einer früheren Bezirksvertretungssitzung nachlesen möchte, kann das entsprechende Protokoll in der 6. Woche nach der Sitzung auf der jeweiligen Bezirksseite der Stadt Wien unter der Rubrik “Politik” online abrufen.
Je nach Qualität der Protokolle bzw. Veröffentlichung zusätzlicher Unterlagen läßt sich das politische Prozedere nachvollziehen oder auch nicht. Für den Transparenzvergleich wurden 4 Hauptkriterien festgelegt. Diese basieren auf der eigenen Erfahrung des qualitativen Unterschieds zwischen der persönlichen Teilnahme bei Sitzungen und dem nachträglichen Informationsangebot.
Nicht geeignet ist dieses Ranking, um die Qualität der Arbeit im Bezirk zu bewerten. Viel zu unterschiedlich sind zusätzliche Informationsangebote wie gut gepflegte facebook-Seiten, Grätzltouren, etc.
Eine öffentlich zugängliche gute Dokumentation der Arbeit in den Bezirksparlamenten sollte jedoch mittlerweile Standard sein. Hinweise auf den “Anschlag an der Amtstafel” sind im digitalen Zeitalter jedenfalls sehr überholt. Anzumerken ist, dass sämtliche Maßnahmen weder zeit- noch kostenintensiv sind.
Maximal konnten 100 Punkte erreicht werden – geschafft hat das kein Bezirk. Mit guten 70 Punkten geht der 15. Bezirk ( Rudolfsheim-Fünfhaus ) als klarer Sieger im Transparenz-Ranking hervor. Luft nach oben gibt es also überall.
Max. 100 Punkte – die Gewichtung:
35 Punkte bei Anträgen
30 Punkte beim livestream
20 Punkte bei der Mitteilung der Bezirksvorstehung
15 Punkte bei Anfragen
Ein Antrag ist eine Willensbekundung, über die in der Bezirksvertretung abgestimmt wird. Anträge, die mit einer einfachen Stimmenmehrheit angenommen wurden, werden an die zuständigen Personen oder Dienststellen wie zum Beispiel Stadträte oder Magistratsabteilungen weitergeleitet. Innerhalb von 8 Wochen müssen diese antworten. Meist wird die Realisierung überprüft, es besteht daher die Möglichkeit, dass Anträge aus finanziellen, technischen, administrativen oder anderen Gründen nicht verwirklicht werden können, obwohl sie beschlossen wurden.
Die Mitglieder der Bezirksvertretung können auch beschließen, den Antrag in einem Ausschuss oder in einer Kommission zu beraten. Hier können Meinungen der Fachdienststellen eingeholt werden.
Anträge sind also ein Kernelement der politischen Arbeit – doch wie wird dies dokumentiert?
2017 starteten der 9. und 15. Bezirk mit der live-Übertragung der Sitzungen der Bezirksparlamente im Internet. Im Alsergrund lag einem ORF-Bericht zufolge die durchschnittliche Zuseherzahl bei 2.000. Das ist beträchtlich im Vergleich zu den Zuhörern vorort, deren Zahl zwischen 15 und 20 Personen schwankt, und in Relation zur Bezirksbevölkerung von insgesamt 40.000 Menschen (davon etwa 25.000 Wahlberechtigte). Die Übertragungen in beiden Bezirken waren Pilotprojekte, ab 2018 stand es – bei eigener Finanzierung – allen Bezirken frei, die Sitzungen zu übertragen. Seit 2019 nutzen 6 Bezirke diese Möglichkeit.
Verbesserungsbedarf besteht bei der Aufzeichnungen der Sitzungen, diese findet nämlich nicht statt, obwohl es dazu bereits einige Anträge gegeben hat.
Es klingt banal, aber nichts liest sich so leicht und gibt schnell Überblick über das vergangene Geschehen im Bezirk, wie die Mitteilung der Bezirksvorsteherin oder des Bezirksvorstehers im Protokoll der Bezirksvertretungssitzung.
Anfragen an die Bezirksvorstehung kommen in der Regel von der Bezirksopposition und betreffen meist Bezirksinterna. Die Anfragen haben oft einen kritischen Hintergrund und geben daher Aufschluß, wo etwas schiefgelaufen sein könnte.
Die Bezirksvorsteherin bzw. der Bezirksvorsteher kann die Anfragen entweder sofort beantworten oder die Beantwortung in schriftlicher oder mündlicher Form bis spätestens zur nächsten Bezirksvertretungssitzung verschieben.
Dem wichtigen Instrument der Anfrage wird in punkto Transparenz nur wenig Bedeutung beigemessen. Die Anfragen werden bis auf wenige Ausnahmen nur mit Titeln (oft aussagelos wie z.B. “Scooter”) angeführt. Der Regelfall ist die schriftliche Beantwortung, die nie veröffentlicht wird.
In einigen Bezirken werden Transparenzdefizite von Bezirksfraktionen durch eigene Informationsangebote abgefedert. Als Beispiele sind einige Bürgerlisten und grüne Bezirksgruppen genannt, die über Ihre Informationskanäle ihre Anträge veröffentlichen oder teilweise Mitschnitte der Sitzungen zur Verfügung stellen.
Auf den politischen Aspekt, welche Fraktionen bremsen und welche Transparenz einfordern wurde hier bewußt verzichtet, da dies oft von den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen im Bezirk abhängt. Aber: die Verbesserung der Transparenz ist harte Arbeit. So wurde in Margareten beispielsweise darum gekämpft, wo der permanente Link zum livestream auf der Bezirkswebsite plaziert wird.
Ein wichtiger Punkt konnte mangels Verfügbarkeit von Informationen nicht berücksichtigt werden: es macht einen großen Unterschied, ob Anträge und Anfragen vor der Bezirksvertretungssitzung veröffentlicht werden oder erst nachträglich online gestellt werden.
Viele BürgerInnen sind an speziellen Themen interessiert und es hilft, vorab zu wissen, ob ein persönlich relevantes Thema behandelt wird. Entsprechend sieht man sich dann einen 5-stündigen livestream an, steigt später ein oder nutzt die Zeit anderwertig. Ein Antrag, der von der Alsergrunder Bezirksvertretung (hier wird ein livestream angeboten) einstimmig beschlossen wurde, zeigt den Ablauf, der aus BürgerInnensicht ein sinnvolles Informationsangebot ergibt. N.B.: Der Antrag wurde nicht umgesetzt.
Grafiken (c) AdobeStock, Weißenbäck
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