Heumarkt-Oevp
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Heumarkt II: Das Doppelspiel der ÖVP & Zinggl im Exklusiv-Statement

Die Wiener ÖVP präsentiert sich derzeit besonders eindringlich als Kämpferin für den Erhalt des Weltkulturerbe-Status. Doch sie hat das Heft auf Bundesebene seit langem selbst in der Hand. Und sie setzt nicht um, was sie selbst fordert. Ein schwarz-türkises Strategiespiel mit zwei voraussichtlichen Verlierern: dem UNESCO-Welterbe und der Glaubwürdigkeit der ÖVP.

Heumarkt-Inszenierung der Wiener ÖVP

Beinahe täglich attaktieren ÖVP-Politiker derzeit die rot-grüne Stadtregierung über Pressemeldungen und Social Media. Für den 19.12. wurden Anfragen an Bürgermeister Ludwig im Gemeinderat angekündigt, am 20.12. findet dann die einberufene Sondersitzung des Gemeinderats statt. Tenor der Forderungen: das Heumarkt-Projekt ist so zu überarbeiten, damit es den Anforderungen von UNESCO und ICOMOS gerecht wird. Proponenten der Forderungen sind Gernot Blümel, Stadtrat Markus Wölbitsch und die Klubobfrau und Planungssprecherin Elisabeth Olischar.

Gernot Blümel schreibt etwa auf seiner Website: “Das  Bauprojekt am Heumarkt in seiner derzeitigen Form ist mit dem Weltkulturerbe nicht vereinbar und darf nicht realisiert werden. Rot-Grün setzt fahrlässig das Weltkulturerbe aufs Spiel. Wir wollen retten, was noch zu retten ist. Denn Wien ist mit seinen historischen Kulturstätten ein Juwel, das es zu schützen gilt.

Ein missverständliches Verhältnis der ÖVP zum Heumarkt zeigte bereits das Protokoll der Stadtentwicklungskommission von 2013. Obwohl das Gremium als Grundsatz die Vereinbarkeit mit dem UNESCO Welterbe definierte, wurden gleichzeitig 2 Varianten in Betracht gezogen, die explizit im Widerspruch dazu standen. Unbeirrt stimmte die ÖVP damals diesen Städtebaulichen Leitlinien zu. Nur die FPÖ verweigerte die Zustimmung.

Die rechtlichen Möglichkeiten im Bund und der VA

Der renommierte Verfassungsjurist Theo Öhlinger kam in einem 2018 verfassten Gutachten zum Schluß, dass die Republik Österreich zur Einhaltung des internationalen Staatsvertrags verpflichtet sei und er damit die Republik für den Erhalt des UNESCO-Welterbe-Status der Wiener Innenstadt verantwortlich sieht (Österreich ist der Welterbekonvention 1992 beigetreten). Die Republik kann daher durch den sachlich zuständigen Bundesminister mittels Weisungsrecht und/oder einer Ersatzvornahme die vertragswidrig gesetzte Maßnahme (Anm.: Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) beseitigen.

Im Juni 2019 hielt Öhlinger dann auch in einer rechtlichen Stellungnahme zur Rolle der Volksanwaltschaft fest, dass diese einen Antrag an den VfGH auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes betreffend das Areal Wiener Heumarkt stellen kann. Die Volksanwaltschaft hatte trotz festgestellter Missstände diese Möglichkeit bisher verneint.

Blümel versprach “Weisung” an Wien

Anfang des Jahres beruhigte der damalige ÖVP-Bundesminister Gernot Blümel: Sollte der erwartete Bericht der beratenden ICOMOS-Mission weiterhin die Gefahr der Aberkennung darlegen, so werde er alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um das Weltkulturerbe Wien zu schützen. Der Bericht kam, die Einschätzung war verheerend, wie Blümel in seiner Pressekonferenz vom 18.03.2019 bekanntgab:

Wie angekündigt, schrieb Blümel dem Wiener Bürgermeister einen Brief und forderte dessen commitment bis zum 8. April 2019, das Projekt nicht in der geplanten Form umzusetzen. Das commitment blieb aus und Blümel meldete schließlich wenig später an die UNESCO zurück:

Republic of Austria, SOC / DSOC Report 2019

Die zu erwartende Weisung war nun fällig – nur sie folgte nicht.

Auch sein Nachfolger, Alexander Schallenberg, der für zahlreiche ÖVP-Minister tätig war und den ein Vertrauensverhältnis mit Sebastian Kurz verbindet, blieb untätig.

Auch VP-Volksanwaltschaft bleibt tatenlos

Obwohl die ehemalige ÖVP-Abgeordnete und Volksanwältin Getrude Brinek Ende 2017 in einem Prüfbericht massive Missstände beim Heumarkt-Projekt feststellte, machte Sie von der Möglichkeit, die Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplans vom VfGH prüfen zu lassen, nicht Gebrauch. Insiderinformationen zufolge wurde sie mehrfach darum ersucht.

Auch ihr Nachfolger, der ehemalige ÖVP-Nationalratsabgeordnete Werner Amon, der die Agenden im Juli übernahm, blieb bislang tatenlos.

Zinggl: “ÖVP zeigt wahres Gesicht”

Der ehemals grüne Mandatar und Klubobmann des Parlamentsklub JETZT ist Österreichs profiliertester Kenner und Kritiker des Heumarkt-Projekts. Wir haben ihn für ein statement getroffen.

(c) Christoph Weißenbäck

Die ÖVP hatte ja das Heft schon in der Hand, wie bewerten Sie die aktuelle Situation?

Zinggl: Sie haben genau genommen noch immer das Heft in der Hand. Der jetzige Kulturminister ist ein ausgewiesener ÖVP-Mann könnte sofort das gesamte Projekt stoppen. Es ist schon sehr merkwürdig, wie die ÖVP als Doppelagent in Wien und im Bund agiert und letztendlich die Financiers und Sponsoren der ÖVP den Kurs dieser Fraktion bestimmen.

Die ÖVP zeigt bei Blümel und bei Schallenberg ihr wahres Gesicht und in Wien tun sie so, als wären sie im Interesse der Bevölkerung und des Denkmalschutzes unterwegs – davon kann überhaupt keine Rede sein.

Die Wiener ÖVP wollte trotz mehrfacher Nachfrage keine Stellungnahme abgeben.

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