(c)Entwurf: Isay Weinfeld und Sebastian Murr, Rendering: nightnurse images, Zürich

Die Diskussionsfalle am Heumarkt

Nach Monaten der Informationsstille überrascht der Wiener Landtagspräsident und Unesco-Beauftragte Ernst Woller (SPÖ) kurz vor Weihnachten in einer Sondergemeinderatssitzung zum Thema Heumarkt mit einer vermeintlichen Sensation: Der umstrittene Wohnturm kommt nicht.

Genauer gesagt: vielleicht nicht, denn es gibt einen Deal mit dem Investor. Der Wohnturm wurde am 18.12.2019 prinzipiell für bewilligungsfähig erklärt und der Investor kann das Projekt innerhalb der nächsten 4 Jahre realisieren (in wie weit die Frage der Umweltverträglichkeitsprüfung hier berücksichtigt ist, wurde nicht behandelt). Weiters verkündet Woller, dass sich der Investor bereit erklärt einen alternativen Plan – Plan “B” – auszuarbeiten. Dieser umfasst die Kernpunkte:

  • Verzicht auf den Turm
  • Realisierung zumindest eines Teils der Kubaturen des Turms im Hotel und den angrenzenden Bauten
  • die 6.000qm Eisfläche bleiben
  • das Gebäude wird als “Green building” ausgeführt
  • die öffentliche Nutzung bleibt großteils erhalten

Kein Wunschkonzert neben dem Musikverein

Woller meint, es sei ein Kompromiss, man treffe sich in der Mitte und er sei sicher, dass sich auch die UNESCO und ICOMOS in die Mitte bewegen wird.

Und ein Kompromiss ist ein Kompromiss und nicht ein Wunschkonzert. Und wenn jetzt dann die Wortmeldung kommt, Turm weg das ist gut, Hotel darf nicht höher werden, das ist ein Wunschkonzert.

UNESCO-Beauftragter Langtagspräsident Ernst Wollner im Gemeinderat am 20.12.2019, Bild: flickr/F. J. Morgenbesser

Falls keine Zustimmung der UNESCO zum Plan B erzielt werden kann, kommt dann doch der 66m hohe Wohnturm, wie Woller meint:

…dann gibt es einen Plan A, für den es seit vorgestern in Wirklichkeit eine Baubewilligung gibt.

Etwas deutlicher beschreibt er die Konsequenzen lt. Kronenzeitung : “Wenn sie sagen 43 Meter, dann kriegen sie den Turm.” Die 43m findet er schließlich “lächerlich”.

Anm.: Die UNESCO formulierte schon 2012, dass die Höhe des Intercontinental mit 43m die Maximalhöhe bedeute und ging noch einen Schritt weiter: im Zuge der Entwicklung des Areals sollte eine Reduktion dieser Höhe vorgenommen werden.

Initiative Denkmalschutz zum Heumarkt-Gefeilsche

De facto stehen dann 2 Alternativen zur Auswahl, die beide aus heutiger Sicht nicht den UNESCO-Kriterien entsprechen. Die Initiative Denkmalschutz warnt in einer Presseaussendung davor, dass von der UNESCO alleine aus Glaubwürdigkeitsgründen kein Kompromiss zu erwarten sei:

Markus Landerer, Vorstand Initiative Denkmalschutz
Bild (c)Stadtpolitik/Weißenbäck

“Wenn ICOMOS und UNESCO jetzt nachgeben, haben sie gänzlich ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Der vom Heumarkt-Koordinator Ernst Woller (SPÖ) am 20.12. im Gemeinderat überraschend vorgestellte “Kompromiss”, um den gefährdeten Welterbe-Titel doch noch zu retten, lautet vereinfacht zusammengefasst so: Entweder stimmt die UNESCO einer Höherentwicklung der Heumarkt Hotelscheibe zu (was die UNESCO seit 2012/13 ausschließt, vgl.: http://www.idms.at/unesco/unesco-heumarkt.pdf), oder die Stadt Wien bewilligt das bereits gewidmete, noch größere Hochhausprojekt mit 66,3 Meter. Die Stadt hat mit dem Beschluss des Flächenwidmungsplanes 2017, im Wissen, dass dieser gegen die UNESCO Welterbe-Richtlinien verstößt, nicht nur einen eklatanten Rechtsbruch begangen, sondern sich dem Investor gänzlich ausgeliefert.”

Die Initiative Denkmalschutz erinnert in ihrer Aussendung die Stadt Wien daran, dass diese bereits 2006 den Ausschluss von Hochhäusern im Welterbe akzeptierte. Gleichzeitig fordert die Initiative den als UNESCO-Vertragspartner zuständigen Kulturminister Werner Kogler gemeinsam mit Staatssekretärin Ulrike Lunacek auf, gemäß Bundesverfassungs-Gesetz Art. 16 Abs. 4 einzuschreiten.

Und der ehemalige stellvertr. Leiter der MA18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung), Georg Kotyza, meinte Anfang Januar in einem Gastkommentar in der Presse:

Insgesamt ist die neue Woller’sche Variante um nichts besser als das bisherige Projekt, abgesehen davon, dass dadurch keineswegs die Gefahr eines Verlusts des Welterbe-Prädikates beseitigt ist.

Letztendlich bleibt zu befürchten, dass medial nun nur eine Diskussion zwischen Plan A und Plan B geführt wird, völlig übersehend, dass es die falsche Diskussion ist. Vielmehr sollte man – wie von Georg Kotyza vorgeschlagen – zurück an den Start gehen.

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