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Psychisch Erkrankte endlich als COVID-Risikogruppe anerkannt. ÖGPP zeigt sich erfreut.UPDATE: Wien startet Vormerkung

Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen waren im Gegensatz zu Deutschland bislang nicht als Risikogruppe anerkannt. Obwohl diese einen schwereren Verlauf und ein deutlich höheres Sterberisiko als die Allgemeinbevölkerung aufzeigen.

Im Jänner 2021 stufte Deutschland Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen (Bipolare Störungen, Depressionen, Schizophrenie) als Risikogruppe ein. Auf der 6stufigen Priorisierung für COVID19-Impfungen wurde diese Gruppe der Stufe 4 zugeteilt. Stadtpolitik.Wien berichtete erstmals am 29.1.2021.

Innerhalb von 3 Wochen eskalierte die Ständige Impfkommission am deutschen Robert Koch-Institut (STIKO) die Risikoeinschätzung und stufte Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen auf die deutsche Stufe 3 (von 6). Auf dieser Stufe sind Personen mit Vorerkrankungen mit hohem Risiko wie etwa Krebspatienten, Menschen mit COPD oder Diabetes Mellitus berücksichtigt.

Psychiatrische Erkrankungen als Risikofaktor

Eine US-amerikanische Studie analysierte die Daten von 61 Mio. Erwachsenen aus 360 Krankenhäusern bis Ende Juli 2020. Menschen mit psychischen Erkrankungen werden gegenüber der Allgemeinbevölkerung aufgrund einer COVID-19-Erkrankung signifikant häufiger hospitalisiert (27,4 % vs. 18,6 %) und versterben auch signifikant häufiger an COVID-19 (8,5 % vs. 4,7 %). Am größten ist das Risiko für Menschen mit neu diagnostizierter Depression und Menschen mit Schizophrenie.

Die STIKO des Robert Koch-Instituts listet im Vorabdruck des Epidemiologisches Bulletin Nr. 16/2021 für den 22.April die Risiken (Alter und Vorerkrankungen) für die Parameter Hospitalisierung und Mortalität auf. Das Risiko bei Psychiatrischen Erkrankungen liegt dabei noch vor der Altersgruppe 60-69 Jahre, Menschen mit Demenz, COPD oder Adipositas.

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Epidemiologisches Bulletin Nr. 16/2021, Robert Koch-Institut, S. 49

Österreich: späte Anerkennung als Risikogruppe

Diesen Medienberichten folgte ein statement der Ärztekammer Wien, die gegenüber Stadtpolitik.Wien meinte: “Die Aufnahme von schweren psychischen Erkrankungen in die Priorisierungslisten des CoV-Impfplans sollte von den zuständigen Behörden in Anlehnung an das deutsche Beispiel daher durchaus ins Auge gefasst werden”.

Auf eine breite Aufmerksamkeit (vgl. Kurier, DiePresse) stieß schließlich ein Aufruf der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) an die Politik. Der Präsident der Gesellschaft, Univ.-Prof. Dr. Johann Wancata schrieb in einer Stellungnahme: “Die ÖGPP ersucht die politischen Entscheidungsträger, diese Personengruppe in die gleiche Kategorie wie Menschen mit Diabetes mellitus, koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz oder Asthma bronchiale einzuordnen.”

Zwei Monate, nachdem Deutschland psychiatrische Erkrankungen als Risikofaktor anerkannten, folgte die Umsetzung auch in Österreich. In der Priorisierung des Nationalen Impfgremiums vom 31.03.2021 scheinen unter dem Punkt “Vorerkrankungen oder körperliche Gegebenheiten mit erhöhtem Risiko” nun auch Psychiatrische Erkrankungen (bipolare Störung, Schizophrenie und schwere Depression) auf.

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COVID-19-Impfungen: Priorisierung des Nationalen Impfgremiums 31.03.2021

ÖGPP zeigt sich erfreut

Erfreut über die vorrangige Impfung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zeigt sich die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Deren Präsident, Univ.-Prof. Dr. Johannes Wancata, gegenüber Stadtpolitik.Wien :

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Univ.-Prof. Dr. Johannes Wancata (Robert Newald / picturedesk.com)

“Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen haben generell ein höheres Risiko auch schwere körperliche Krankheiten zu entwickeln. Es gibt Studien, die zeigen, dass das Vorhandensein schwerer psychischer Erkrankungen die Wahrscheinlichkeit erhöht an COVID-19 zu erkranken und dass diese Kranken dann auch häufiger an COVID-19 versterben. Die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik hat sich daher dafür eingesetzt, anzuerkennen, dass diese Kranken zur Risikogruppe gehören und prioritär geimpft werden sollen. Wir freuen uns, dass diese Menschen nun in Wien vorrangig geimpft und auf diese Weise Leben gerettet werden. Wir ermutigen alle Menschen mit bipolaren Störungen, Depressionen und Schizophrenie diese Chance wahrzunehmen und so einer schweren körperlichen Krankheit vorzubeugen.” 

Univ.-Prof. Dr. Johannes Wancata
Präsident der Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP)

Wien startet Vormerkung

Eigentlich sollte die Risikogruppe zusammen mit allen anderen Menschen, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, geimpft werden. Dafür werden 63.000 Termine ab 19.04. zur Buchung freigeschaltet. Wie der Sprecher von Gesundheitsstadtrat Hacker am 16.04. gegenüber Stadtpolitik.Wien erklärte, ist die Größe der Risikogruppe noch unbekannt, da Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen auch privat behandelt werden und es daher kein Register gibt. Die Stadt Wien hat sich daher entschieden, zunächst eine Vormerkmöglichkeit (bereits online unter impfservice.wien) zu schaffen und den Bedarf zu evaluieren. Je nach Größe der Risikogruppe “Bipolare Störung, Schizophrenie, Schwere Depression” kann eine Impfung dann sehr zeitnah, d.h. auch durchaus noch gemeinsam mit den anderen Risikogruppen erfolgen.




 

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